{"id":263,"date":"2015-06-05T00:24:37","date_gmt":"2015-06-04T22:24:37","guid":{"rendered":"http:\/\/ichalsmich.com\/?p=263"},"modified":"2015-06-19T11:29:22","modified_gmt":"2015-06-19T09:29:22","slug":"30-tage-ohne-geld-tag-4","status":"publish","type":"post","link":"http:\/\/ichalsmich.com\/30-tage-ohne-geld-tag-4\/","title":{"rendered":"Tag 4 – Die LebensmittelretterInnen"},"content":{"rendered":"

Mittlerweile verl\u00e4uft mein Experiment “30 Tage ohne Geld”<\/em><\/strong> ziemlich entspannt. Ich n\u00e4hre mich noch von den gedumpsterten Lebensmitteln des 1. und 2. Tages. Heute gab es ein feines Fr\u00fchst\u00fcck, f\u00fcr das ich all meine Prinzipien \u00fcber Bord werfen musste, da ich als Veganer eigentlich nichts esse, das ein Gesicht tr\u00e4gt.
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\"gesicht\"<\/a><\/p>\n

Am Nachmittag traf ich Eva Maria Bruschek, Obfrau des Vereins “Die LebensmittelretterInnen”. Auf einer schattigen Parkbank am Karlsplatz haben wir \u00fcber die Lebensmittelverschwendung in Wien gesprochen. Ihr Ansatz ist es, den Weg durch die Tonne zu umgehen, indem sie das \u00fcbersch\u00fcssige Obst und Gem\u00fcse direkt bei den H\u00e4ndlerInnen abholen.<\/p>\n

ichalsmich:<\/b> Hallo Eva Maria, erz\u00e4hl mal, was sind die LebensmittelretterInnen?<\/p>\n

Eva Maria:<\/b> Die LebensmittelretterInnen sind ein Verein mit ungef\u00e4hr 150 Mitgliedern, die, wie der Name schon sagt, Lebensmittel retten. Wir holen derzeit vom Brunnenmarkt, Viktor-Adler-Markt, von einer B\u00e4ckerei, wir haben eine Kooperation mit Rita bringts…<\/p>\n

ichalsmich:<\/b> Was holt ihr denn ab?<\/p>\n

Eva Maria:<\/b> Obst, Gem\u00fcse das nicht mehr verk\u00e4uflich ist. Weil die Birne braun ist, die Tomate ein wenig weicher, die Banane Flecken hat, solche Sachen. Bei Rita bringt’s sind es Sachen, die vom Catering \u00fcbrig bleiben und bei der B\u00e4ckerei das Brot – logischerweise.<\/p>\n

ichalsmich: <\/b>Warum wird das nicht wiederverwertet?<\/p>\n

Rita bringt’s verkauft teilweise zwei zum Preis von einem, aber das funktioniert auch nicht wirklich. Denen ist es wichtig, dass es etwas Sozialem zugute kommt. Den B\u00e4ckereien ist es egal, die schmei\u00dfen tonnenweise weg, das sind manchmal bis zu 7 S\u00e4cke pro B\u00e4ckerei. Die Leute, die am Brunnenmarkt einkaufen, wissen teilweise einfach nicht, dass beispielsweise eine Tomate ,die ein wenig weicher ist, trotzdem noch in Ordnung ist.<\/p>\n

ichalsmich:<\/b> W\u00e4re es denn unwirtschaftlich f\u00fcr diese Betriebe, das \u00dcbriggebliebene oder Unsch\u00f6ne weiter zu verarbeiten \u2013 z.B. zu Marmeladen?<\/p>\n

Eva Maria: <\/b>Das sind Standler, die verkaufen nur und verwerten nicht. Vom Gef\u00fchl her sind sie froh, es taugt ihen, dass es uns gibt und wir es weitergeben \u2013 klar, sie haben ja auch daf\u00fcr bezahlt und schmei\u00dfen auch ungerne weg. Was ich nicht verstehe sind die B\u00e4ckereien, die backen am Abend noch ein frisches Fladenbrot.<\/p>\n

ichalsmich: <\/b>Machen die B\u00e4ckereien am Abend so viel Umsatz, dass das notwendig ist?<\/p>\n

Eva Maria: <\/b>Nat\u00fcrlich, die Leute sind eben so verw\u00f6hnt, dass bis zum Ladenschluss noch etwas da sein muss. Wenn das Fladenbrot beim B\u00e4cker A nicht da ist, gehen die Leute eben 10 Meter weiter zum B\u00e4cker B.<\/p>\n

i<\/b>chalmich: <\/b>Aber ProduzentInnen oder Verk\u00e4uferInnen haben ja auch das Recht, ihre Lebensmittel wieder wegzuschmei\u00dfen \u2013 oder nicht?<\/p>\n

Eva Maria: <\/b>Nein, das glaube ich nicht, weil Lebensmittel, wie der Name schon sagt, zum Leben da sind. Und in dem Moment wo ich sie wegwerfe, nehme ich dem Lebensmittel den Wert und verhindere, dass sie zum Leben sind. Ach es ist so schwierig…<\/p>\n

ichalmich: <\/b>In Frankreich gibt es ja jetzt diese Gesetze gegen Lebensmittelverschwendung, was h\u00e4ltst du davon?<\/p>\n

Eva Maria: <\/b>Garnichts, weil sie es ja auch kompostieren d\u00fcrfen, im Endeffekt schmei\u00dfen sie es weg. Einerseits geben sie es dann Vereinen, die wieder Geld f\u00fcr die Lebensmittel verlangen oder man muss sich als Empf\u00e4ngerIn dann wieder outen: \u201eIch bin arm, ich hab kein Geld”. Dieses Kriterium \u201ebed\u00fcrftig\u201c ist so eine Sache, weil mittlerweile gibt\u2019s so viele Leute die arbeiten gehen und ihre 1500 \u20ac bekommen aber unterm Strich bleibt ihnen auch nichts, weil die Wohnung teuer ist, sie Schulden zur\u00fcckzahlen m\u00fcssen oder die Mutter unterst\u00fctzten. Aber \u201earm\u201c sind sie ja nicht, weil sie verdienen ja eh so viel. (sarkastisch)<\/p>\n

ichalmich: <\/b>Was kann man denn deiner Meinung nach machen, damit kein Lebensmittel mehr weggeworfen wird?
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\nEva Maria: <\/b>F\u00fcr mich hat K\u00e4rnten da eine ganz gute Aktion, seit einem Jahr gibt\u2019s diesen Free-Market. Die haben eine Kooperation mit Spar, wo das \u00dcbriggebliebene abgeholt wird.\u00a0 Alle Menschen k\u00f6nnen am Free-Market Lebensmittel gratis abholen \u2013 egal ob man General-Direktor oder ein Obdachloser ist.<\/p>\n

ichalmich: <\/b>Was kann man noch machen, um die Verschwendung zu minimieren?<\/p>\n

Eva Maria: <\/b>Man muss den Leuten klar machen, dass das Mindeshaltbarkeitsdatum ein Mindesthaltbarkeitsdatum ist. Ein Joghurt kann 8 Wochen danach immer noch gegessen werden. Eier hab ich selbst getestet, die sind nach 9 Monaten immer noch in Ordnung. Bei einem Fisch oder Faschiertem ist das was anderes, das h\u00e4lt halt nicht so lange. Aber jeder intelligente Mensch kann riechen, im Notfall schmecken \u2013 man schmeckt es, wenn es nicht mehr gut ist. Oder wenn es schimmelig ist, dann sieht man es. Was haben denn unsere Eltern fr\u00fcher gemacht?<\/p>\n

i<\/b>chalmich:<\/b> Ich hab ja dieses Experiment und sch\u00e4tze Lebensmittel mittlerweile viel mehr, da ich den ganzen Luxus nicht mehr habe. Ist unsere Gesellschaft einfach zu verw\u00f6hnt vom t\u00e4glichen Konsum?<\/p>\n

Eva Maria: <\/b>Ja, sie ist zu verw\u00f6hnt. Was ich immer so witzig finde ist, wenn Leute dann sagen, sie leben konsumfrei. Ja, aber das geht halt nur so lange nicht alle mitspielen. Zu sagen, ich leb konsumfrei, aber ich hol mir meinen Fernseher, mein Smartphone und meine tolle Kleidung \u00fcber beispielsweise Share&Care. Ja, das muss ja vorher auch jemand bezahlen. Also wenn jeder sagt, ich konsumier das nicht, dann geht das vom System her nicht \u2013 das kann nicht funktionieren.<\/p>\n

i<\/b>chalmich: <\/b>Also ist Konsum an sich nichts schlechtes, wenn man ihn mit Ma\u00df und Ziel betreibt?<\/p>\n

Eva Maria: <\/b>Genau, man darf die KonsumentInnen nicht verteufeln, aber man muss ja auch nicht alles haben, man muss nicht das neueste Smartphone haben, man braucht nicht die Zwiebeln aus Australien, man kann die auch bei uns holen.<\/p>\n

i<\/b>chalmich: <\/b>Ist es irgendwann mal vorstellbar Lebensmittel zu verteilen ohne ihnen einen Geldwert zu geben? <\/b><\/p>\n

Eva Maria: <\/b>Ist es – weil wir machen das ja auch. Wir verteilen die Sachen vom Brunnenmarkt an AlleinerzieherInnen, Studierende, wer eben aller mitgeht. Und mittlerweile kommen dann auch Leute zum Schluss beim Aufteilen. Roma, Bulgar_innen und so weiter. Die haben auch kein Problem den matschigen Paradeiser zu greifen. Die sind halt jetzt gut und m\u00fcssen gleich verwertet werden.<\/p>\n

Ichalmich: <\/b>Aber euer Prinzip funktioniert halt auch nur, weil andere f\u00fcr die sch\u00f6nen Sachen bezahlen. Es ist das was \u00fcbrig bleibt.<\/p>\n

Eva Maria: <\/b>Es ist das was \u00fcbrig bleibt \u2013 aber wenn die Leute nicht so deppert w\u00e4ren \u2026 Entschuldigung (hahaha) \u2013 dann w\u00fcrden sie das ja auch kaufen. Es muss halt alles supersch\u00f6n sein.<\/p>\n

i<\/b>chalmich: <\/b>Danke Eva Maria f\u00fcr deine Zeit.<\/p>\n

Nach dem Interview hat mich mich Eva Maria noch zum Viktor-Adler Markt eingeladen,\u00a0 damit ich mir selbst ansehen kann, wie viel dort \u00fcbrig bleibt. Nat\u00fcrlich auch, um mir einen frischen Vorrat f\u00fcr das Wochenende anzulegen.<\/p>\n

\"\"<\/a><\/p>\n

Danach gings weiter auf die Donauinsel, wo ich eine sch\u00f6ne Zeit verbrachte. Die Sonne und der gedumpsterte Salat waren ein sch\u00f6ner Abschluss meines geld- und arbeitsfreien Tages. Das Leben ohne Luxus ist gar nicht mal so schlecht.<\/p>\n

\"\"<\/a><\/p>\n

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Mittlerweile verl\u00e4uft mein Experiment “30 Tage ohne Geld” ziemlich entspannt. Ich n\u00e4hre mich noch von den gedumpsterten Lebensmitteln des 1. und 2. Tages. Heute gab es ein feines Fr\u00fchst\u00fcck, f\u00fcr das ich all meine Prinzipien \u00fcber Bord werfen musste, da ich als Veganer eigentlich nichts esse, das ein Gesicht tr\u00e4gt.<\/p>\n","protected":false},"author":1,"featured_media":252,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[10,1],"tags":[],"_links":{"self":[{"href":"http:\/\/ichalsmich.com\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/263"}],"collection":[{"href":"http:\/\/ichalsmich.com\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"http:\/\/ichalsmich.com\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"http:\/\/ichalsmich.com\/wp-json\/wp\/v2\/users\/1"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"http:\/\/ichalsmich.com\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=263"}],"version-history":[{"count":14,"href":"http:\/\/ichalsmich.com\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/263\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":464,"href":"http:\/\/ichalsmich.com\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/263\/revisions\/464"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"http:\/\/ichalsmich.com\/wp-json\/wp\/v2\/media\/252"}],"wp:attachment":[{"href":"http:\/\/ichalsmich.com\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=263"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"http:\/\/ichalsmich.com\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=263"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"http:\/\/ichalsmich.com\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=263"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}