{"id":278,"date":"2015-06-08T02:31:55","date_gmt":"2015-06-08T00:31:55","guid":{"rendered":"http:\/\/ichalsmich.com\/?p=278"},"modified":"2015-06-19T11:29:31","modified_gmt":"2015-06-19T09:29:31","slug":"30-tage-ohne-geld-tag-5","status":"publish","type":"post","link":"http:\/\/ichalsmich.com\/30-tage-ohne-geld-tag-5\/","title":{"rendered":"Tag 5 \u2013 Freundschaft ist der Schl\u00fcssel"},"content":{"rendered":"

Freitag Abend k\u00fcndigte sich neben dem\u00a0 Wochenende auch die Nahrungsmittelknappheit\u00a0 an. Nach der Arbeit musste also neues Essen auf den Teller. Dank dem Schl\u00fcssel, den mir Keyman<\/a> geliehen hatte, war das nun kein Problem mehr \u2013 dachte ich mir. Verr\u00fcckt, dass mir gerade mein Schl\u00fcssel wenige Stunden sp\u00e4ter zum Verh\u00e4ngnis werden w\u00fcrde.<\/p>\n

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Als ich hungrig die Arbeit verlie\u00df, ging ich einfach nur drauf los, ich streifte zwar mit einer ungef\u00e4hren Richtung aber keinem Ziel durch den 7. Bezirk.<\/p>\n

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Der Fair-Teiler im Cafe Siebenstern hatte nur ein karotten\u00e4hnliches Gew\u00e4chs zu bieten, an dem ich kurz rumknabberte, bis es in meiner Tasche verschwand. Ich sah junge Menschen, die schon auf dem Weg in das verdiente Wochenende waren. Lokale, mit Tischen neben der Stra\u00dfe: Menschen a\u00dfen prunkvolle Gerichte und tranken Wein. Ich kam mir ausgegrenzt vor. Mitten in der lebenswertesten Stadt brannte in mir das Gef\u00fchl, dass mir\u00a0dieses Wochenende von all dem Reichtum nichts zu bieten h\u00e4tte. Ich war niedergeschlagen, wahrscheinlich unterzuckert. Die letzten Sonnenstrahlen verbrachte ich im Park neben einer Gruppe junger Menschen, die meine Sorgen nicht teilten.<\/p>\n

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Hat mein Experiment \u00fcberhaupt Sinn? Wen interessiert das schon, was ich mache? Ich w\u00fcnschte mir Gesellschaft und dieser stumme Schrei ins Universum blieb nicht ungeh\u00f6rt. Mein Freund schrieb mir.<\/p>\n

\"Foto<\/a><\/p>\n

(Anm. Dialekt | Tirol)<\/p>\n

Er bot mir an, mich auf einen Veggie-Burger einzuladen. Ich entgegnete ihm:
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\n\u201eIch glaub, das will ich nicht, ich w\u00fcrd mich sehr freuen, aber ich muss das ohne deine Hilfe schaffen\u201c<\/em><\/p>\n

Das Schloss vor meinem Mund musste ich wohl mit dem M\u00fcllraumschl\u00fcssel \u00f6ffnen. Also machte ich mich hungrig im 3. Bezirk auf die Suche nach dem Stoff, aus dem satte Tr\u00e4ume waren. Doch ich wusste einfach nicht, wo die M\u00fcllr\u00e4ume der dort ans\u00e4ssigen Superm\u00e4rkte waren. Ich war doch noch nie allein dumpstern. Nat\u00fcrlich war ich auch zu feig, alleine danach zu suchen – immerhin bewege ich mich hier in einer gesetzlichen Grauzone. Aber mal ehrlich, welche Supermarktkette w\u00fcrde Anzeige erstatten, weil ein hungriger Mensch das essen will, was sie bereits weggeworfen haben. In diesem Fall br\u00e4chte es f\u00fcr die n\u00e4chste Weihnachtsfeier wohl einen extra Raum f\u00fcr die mit der Marketingabteilung verfeindeten Rechtsabteilung. Aber die rechtliche Lage ist soundso eine andere, sobald der M\u00fcll aus dem Supermarkt in den M\u00fcllraum wandert, geh\u00f6rt er der MA48. Dieser ist die Thematik der “M\u00fclldiebInnen” l\u00e4ngst bekannt, daher ist man flei\u00dfig daran, die Schl\u00f6sser mit jenen auszutauschen, deren Schl\u00fcssel unkopierbar sind. Was man davon halten soll, \u00fcberlasse ich dem eigenen Verstand.<\/p>\n

Am Weg durch die Stra\u00dfen machte ich mir noch so einige Gedanken. Mache ich mir mit meinem Experiment nur was vor? Ist es eine Illusion, durch Enthaltsamkeit die Empathie f\u00fcr wirklich arme Menschen zu erlangen? Ich f\u00fchlte mich zwar am Boden aber war es das selbe Gef\u00fchl, das Menschen empfinden, die wirklich kein Geld haben? Als ich nur mit der seltsamen Karotte heimgekehrt war, entschloss ich mich kurzerhandm zu meinem Freund zu gehen, ohne seine Essenseinladung in Anspruch zu nehmen. Ich packte also von den Restgedanken meiner Pleite geplagt meinen Rucksack und warf die T\u00fcr hinter mir zu. Im Augenblick als das Schloss in die T\u00fcr schoss … schoss es mir durch den Kopf.<\/p>\n

“OH NEIN, DER SCHL\u00dcSSELBUND \u2026”<\/strong><\/p><\/blockquote>\n

\"Foto<\/a><\/p>\n

Ich hatte s\u00e4mtliche Schl\u00fcssel und nat\u00fcrlich auch meine Geldtasche mit allen Karten und Ausweisen in der Wohnung liegen lassen \u2013 nat\u00fcrlich besitze ich keinen Zweitschl\u00fcssel – warum auch?<\/p>\n

Was nun?
\n<\/strong>Schl\u00fcsseldienst kam nicht in Frage, das w\u00e4re das bezahlte Ende meines Selbstversuches. Meinem Vermieter meinte am Telefon, er komme erst Sonntag Abend wieder nach Wien und k\u00f6nne mir dann den Zweitschl\u00fcssel zu meiner Wohnung geben. Na gut, ich akzeptierte dieses kleine Schicksal, womit sich mein Experiment etwas versch\u00e4rfte. Ein Wochenende ohne Wohnung, Identit\u00e4tsnachweis und U-bahnkarte brach an. Ob es naiv oder zuversichtlich war, bereitete mir in diesem Augenblick keine gro\u00dfen Gedanken.<\/p>\n

So verbrachte ich einen sch\u00f6nen Abend bei meinem Freund \u2013 es gab auch Knabberzeug, Spaghetti mit Tomatensauce und ein weiches Bett. Wie mein Wochenende werden w\u00fcrde wusste ich nicht, doch mir wurde einmal mehr bewusst, Freundschaft ist der Schl\u00fcssel zu vielem mehr als der gef\u00fcllteste M\u00fcllraum Wiens zu bieten h\u00e4tte.<\/p>\n

Danke Tolga! <3<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Freitag Abend k\u00fcndigte sich neben dem\u00a0 Wochenende auch die Nahrungsmittelknappheit\u00a0 an. Nach der Arbeit musste also neues Essen auf den Teller. Dank dem Schl\u00fcssel, den mir Keyman geliehen hatte, war das nun kein Problem mehr \u2013 dachte ich mir. Verr\u00fcckt, dass mir gerade mein Schl\u00fcssel wenige Stunden sp\u00e4ter zum Verh\u00e4ngnis werden w\u00fcrde.<\/p>\n","protected":false},"author":1,"featured_media":280,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[10,1],"tags":[],"_links":{"self":[{"href":"http:\/\/ichalsmich.com\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/278"}],"collection":[{"href":"http:\/\/ichalsmich.com\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"http:\/\/ichalsmich.com\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"http:\/\/ichalsmich.com\/wp-json\/wp\/v2\/users\/1"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"http:\/\/ichalsmich.com\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=278"}],"version-history":[{"count":23,"href":"http:\/\/ichalsmich.com\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/278\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":462,"href":"http:\/\/ichalsmich.com\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/278\/revisions\/462"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"http:\/\/ichalsmich.com\/wp-json\/wp\/v2\/media\/280"}],"wp:attachment":[{"href":"http:\/\/ichalsmich.com\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=278"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"http:\/\/ichalsmich.com\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=278"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"http:\/\/ichalsmich.com\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=278"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}