Tag 5 – Freundschaft ist der Schlüssel

Freitag Abend kündigte sich neben dem  Wochenende auch die Nahrungsmittelknappheit  an. Nach der Arbeit musste also neues Essen auf den Teller. Dank dem Schlüssel, den mir Keyman geliehen hatte, war das nun kein Problem mehr – dachte ich mir. Verrückt, dass mir gerade mein Schlüssel wenige Stunden später zum Verhängnis werden würde.

Als ich hungrig die Arbeit verließ, ging ich einfach nur drauf los, ich streifte zwar mit einer ungefähren Richtung aber keinem Ziel durch den 7. Bezirk.

Der Fair-Teiler im Cafe Siebenstern hatte nur ein karottenähnliches Gewächs zu bieten, an dem ich kurz rumknabberte, bis es in meiner Tasche verschwand. Ich sah junge Menschen, die schon auf dem Weg in das verdiente Wochenende waren. Lokale, mit Tischen neben der Straße: Menschen aßen prunkvolle Gerichte und tranken Wein. Ich kam mir ausgegrenzt vor. Mitten in der lebenswertesten Stadt brannte in mir das Gefühl, dass mir dieses Wochenende von all dem Reichtum nichts zu bieten hätte. Ich war niedergeschlagen, wahrscheinlich unterzuckert. Die letzten Sonnenstrahlen verbrachte ich im Park neben einer Gruppe junger Menschen, die meine Sorgen nicht teilten.

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Hat mein Experiment überhaupt Sinn? Wen interessiert das schon, was ich mache? Ich wünschte mir Gesellschaft und dieser stumme Schrei ins Universum blieb nicht ungehört. Mein Freund schrieb mir.

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(Anm. Dialekt | Tirol)

Er bot mir an, mich auf einen Veggie-Burger einzuladen. Ich entgegnete ihm:

„Ich glaub, das will ich nicht, ich würd mich sehr freuen, aber ich muss das ohne deine Hilfe schaffen“

Das Schloss vor meinem Mund musste ich wohl mit dem Müllraumschlüssel öffnen. Also machte ich mich hungrig im 3. Bezirk auf die Suche nach dem Stoff, aus dem satte Träume waren. Doch ich wusste einfach nicht, wo die Müllräume der dort ansässigen Supermärkte waren. Ich war doch noch nie allein dumpstern. Natürlich war ich auch zu feig, alleine danach zu suchen – immerhin bewege ich mich hier in einer gesetzlichen Grauzone. Aber mal ehrlich, welche Supermarktkette würde Anzeige erstatten, weil ein hungriger Mensch das essen will, was sie bereits weggeworfen haben. In diesem Fall brächte es für die nächste Weihnachtsfeier wohl einen extra Raum für die mit der Marketingabteilung verfeindeten Rechtsabteilung. Aber die rechtliche Lage ist soundso eine andere, sobald der Müll aus dem Supermarkt in den Müllraum wandert, gehört er der MA48. Dieser ist die Thematik der “MülldiebInnen” längst bekannt, daher ist man fleißig daran, die Schlösser mit jenen auszutauschen, deren Schlüssel unkopierbar sind. Was man davon halten soll, überlasse ich dem eigenen Verstand.

Am Weg durch die Straßen machte ich mir noch so einige Gedanken. Mache ich mir mit meinem Experiment nur was vor? Ist es eine Illusion, durch Enthaltsamkeit die Empathie für wirklich arme Menschen zu erlangen? Ich fühlte mich zwar am Boden aber war es das selbe Gefühl, das Menschen empfinden, die wirklich kein Geld haben? Als ich nur mit der seltsamen Karotte heimgekehrt war, entschloss ich mich kurzerhandm zu meinem Freund zu gehen, ohne seine Essenseinladung in Anspruch zu nehmen. Ich packte also von den Restgedanken meiner Pleite geplagt meinen Rucksack und warf die Tür hinter mir zu. Im Augenblick als das Schloss in die Tür schoss … schoss es mir durch den Kopf.

“OH NEIN, DER SCHLÜSSELBUND …”

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Ich hatte sämtliche Schlüssel und natürlich auch meine Geldtasche mit allen Karten und Ausweisen in der Wohnung liegen lassen – natürlich besitze ich keinen Zweitschlüssel – warum auch?

Was nun?
Schlüsseldienst kam nicht in Frage, das wäre das bezahlte Ende meines Selbstversuches. Meinem Vermieter meinte am Telefon, er komme erst Sonntag Abend wieder nach Wien und könne mir dann den Zweitschlüssel zu meiner Wohnung geben. Na gut, ich akzeptierte dieses kleine Schicksal, womit sich mein Experiment etwas verschärfte. Ein Wochenende ohne Wohnung, Identitätsnachweis und U-bahnkarte brach an. Ob es naiv oder zuversichtlich war, bereitete mir in diesem Augenblick keine großen Gedanken.

So verbrachte ich einen schönen Abend bei meinem Freund – es gab auch Knabberzeug, Spaghetti mit Tomatensauce und ein weiches Bett. Wie mein Wochenende werden würde wusste ich nicht, doch mir wurde einmal mehr bewusst, Freundschaft ist der Schlüssel zu vielem mehr als der gefüllteste Müllraum Wiens zu bieten hätte.

Danke Tolga! <3

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